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Donnerstag, 12. Dezember 2013

Mit dem Schiff über den Atlantik: In 9 Tagen von Europa nach Lateinamerika

Für unsere Reise nach Südamerika hatten wir uns fest vorgenommen mit einem Schiff oder Boot zu fahren, anstatt einfach in ein Flugzeug zu steigen. Wir wollten die wahre Entfernung zwischen den Kontinenten spüren. Erfahren wie es ist, tagelang nichts als den Ozean zu sehen. Uns langsam unserem Reiseziel nähern, statt nach ein paar Flugstunden an einem anderen Fleck der Erde auszusteigen. 

Niemals hätte ich zu Beginn unserer Reise gedacht, dass wir den Atlantik ausgerechnet mit einem Kreuzfahrtschiff überqueren würden. Allein schon wegen unseres Budgets und weil ich nie darauf gekommen wäre überhaupt nach Angeboten zu suchen. Jorge fand das Angebot von Pullmantur, eine spanische Schifffahrt-Gesellschaft, im Internet. Für knapp 400 Euro kann man die neuntägige Schiffsreise von der portugiesischen Hauptstadt nach Recife im Nordosten Brasiliens antreten. Man bekommt dafür eine komfortable Kabine mit Meerblick, Vollverpflegung und Getränke (Erfrischungsgetränke, Saft, Wasser, Wein, Bier) inklusive. Und wird nebenbei nach Südamerika geschifft. Der Preis ist nur ein Bruchteil davon, was man sonst für so eine Kreuzfahrt bezahlt. Es war das erste Mal, dass sie auf der Atlantiküberquerung Passagiere mitgenommen haben. Offenbar gibt es dafür noch nicht genug Nachfrage. Auf dem Schiff waren gerade mal 200 Passagiere, Platz gäbe es für 1800. In der letzten Woche vor der Abfahrt sind sie mit dem Preis nochmal runtergegangen, sodass die Fahrt für 300 Euro zu haben war. Es lohnt sich also bis zum letzten Moment zu warten und auch bei anderen Gesellschaften nachzuschauen, da die meisten ihre Schiffe im Winter in den Süden bringen und man da oft recht günstig mitfahren kann.

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Kurz vor der Abfahrt in Lissabon 

Bye bye Lisboa, sicher nicht für immer


Neun Tage dauert die Fahrt von Lissabon nach Recife, der fünftgrößten Stadt im Nordosten des fünftgrößten Landes der Welt, das fast die Hälfte des lateinamerikanischen Kontinents bedeckt, nämlich 47 Prozent. Es war wirklich faszinierend tagelang nur von dem endlos weiten Wasserteppich umgeben zu sein. Besonders zu Beginn waren wir wie elektrisiert von dem Anblick und starrten stundenlang auf die unendlichen Wassermassen, auf denen die Sonne funkelte, und bestaunten den hellblau leuchtenden Himmel mit seinen formschönen Zuckerwatte-Tupfern. Während unserer Reise fuhren wir mehrmals an Inseln vorbei: am dritten Tag an Teneriffa, am fünften Tag an den kapverdischen Inseln und am vorletzten Tag konnten wir bereits Brasilien begrüßen, als wir die zum Land gehörigen Fernando de Noronha Inseln passierten. Die Inseln kündigten sich stets damit an, dass auf einmal Vögel am Himmel zu sehen waren. Manchmal schon Stunden bevor die Inseln überhaupt in Sicht waren.








Besonders beeindruckend ist auf dem offenen Meer der Sonnenauf- und –untergang. Den Sonnenaufgang habe ich leider bis auf zweimal verschlafen, weil der immer zu unterschiedlichen Zeiten und außerdem immer früher passierte. Dafür haben wir jeden Abend dabei zugeschaut wie der glühende gelb-leuchtende Feuerball hinterm Horizont verschwindet und wurden mit fantastischen Farbenspielen am Himmel belohnt. Jorge hatte außerdem einmal das Glück ein paar Delfine zu sichten. Das ist mir leider nicht gelungen, obwohl ich viel Zeit damit verbrachte, den unendlichen Ozean zu bestaunen. Auch wenn es dort nicht viel zu sehen geben scheint, verändert sich die Aussicht doch ständig. Die Wellen sind mal mehr, mal weniger hoch. Die Farbe des Ozeans veränderte sich. Je weiter wir raus fuhren, umso mehr verwandelte sie sich in ein tiefes Indigo-blau, wogegen sie zu Beginn eher blau-gräulich schien und kurz vor Recife einen  intensiven Türkiston annahm. Die Sonne spiegelt sich unterschiedlich intensiv auf dem Ozean und die Wolkenformationen ändern sich ständig. Manchmal erblickt man in der Ferne andere Schiffe, vor allem Containerschiffe und Segelboote, sowie winzig kleine Inseln, die eher Felsen im Meer gleichen.












Wem das Betrachten des Ozeans irgendwann zu langweilig wird, hat auf so einem Kreuzfahrtschiff natürlich unglaublich viele Möglichkeiten sich abzulenken. Den ganzen Tag über gibt es ein Programm. Von Musik-, Film-, Länder- und was weiß ich für Quizze über Karaoke, Tanzstunden, Kreativitätsworkshops und dem obligatorischen Bingo. Außerdem gab es einen Fitnessraum, ein Casino, Geschäfte zum duty-free-shoppen, vier oder fünf Bars, eine Diskothek, eine Art Theater, in dem jeden Abend eine andere Show aufgeführt wurde, eine Bibliothek mit überteuertem Internetzugang, mehrere Whirlpools, einen Beautysalon und einen riesigen Poolbereich mit Animation.

Echt Wahnsinn, was da für ein Aufwand betrieben wird. Mich hat das bis auf den Pool, vor allem als es langsam immer heißer wurde, wenig interessiert. Zum Glück kann man sich gut von diesem Programm abkapseln. Ich hatte ein paar gute Bücher dabei, war fest entschlossen mein Portugiesisch-Grammatikbuch durchzuarbeiten, außerdem den Reiseführer zu studieren und sonst einfach nur das weite Meer zu genießen. Außerdem konnte ich mich endlich mal wieder ausgiebig meiner Yoga- und Meditationspraxis widmen. Dort draußen auf dem Meer hat man so unglaublich viel Zeit für all die Sachen für die man sonst viel zu wenig Zeit findet. Meist habe ich versucht vor allen anderen aufzustehen, denn die stillen Morgenstunden auf dem Ozean sind einfach die Besten.

Jeden Tag wurde es ein bisschen wärmer, ab dem vierten Tag konnten wir den Pool nutzen. Davor war der Bereich erstens gesperrt und außerdem war es noch zu kalt zum Baden. Ab dem fünften Tag hätten die Temperaturen meiner Meinung nach so bleiben können wie sie sind. Doch da wir einen kontinuierlichen Kurs nach Süden nahmen war klar, dass es nun jeden Tag ein paar Grad wärmer würde. Dafür drehten sie die Air-Con im Inneren des Bootes auf, sodass niemand schwitzen musste, der das nicht wollte. Am Abend des achten Tages überquerten wie den Äquator. Ich hätte gedacht, dass wir spätestens dann vor Hitze zergehen würden. Das war aber gar nicht so. Es war schon recht warm, aber allein durch den Fahrtwind wehte stets eine angenehme Brise, sodass es nie unerträglich wurde. Auch die Uhren stellten wir Stück für Stück zurück. An jedem dritten Tag wurde uns eine Stunde geschenkt. Am Ende betrug der Zeitunterschied zwischen Lissabon und Recife drei Stunden. Ich hatte mit mehr gerechnet. Von der deutschen Zeit bin ich hier in Brasilien gerade mal vier Stunden entfernt.


pool area at night

Mit unserem "Privat"kellner Wayang beim Dinner


Unsere schnuckelige Kabine mit Meerblick

Super leckeres und viel zu viel Essen, hier beim Frühstücken

Wir hatten wirklich Glück, dass wir mit so wenig Menschen auf dem Schiff waren. So hatten wir ganz viel Platz und konnten immer einen ruhigen Ort finden. Außerdem wurde auch die Animation am Pool schnell eingestellt, weil sich nicht genug Interessenten fanden. Die Klientel war auf dieser Fahrt vermutlich ein bisschen anders als bei den üblichen Kreuzfahrten. Der Großteil waren brasilianische Familien, die vermutlich in Portugal leben und für eine Zeit nach Hause fahren. Außer uns gab es noch andere Rucksackreisende auf dem Schiff, die die Fahrt aufgrund der günstigen Preise gebucht hatten.  Das verbesserte für uns natürlich auch die Atmosphäre auf dem Schiff, weil wir Menschen mit ähnlichen Interessen und Plänen trafen.

Allerdings waren mehr als 600 (!) Crewmitglieder an Bord, bei gerade mal 200 Passagieren. Der Service war dementsprechend „unverbesserlich“, womit die Gesellschaft auch wirbt. In meinen Augen viel zu übertrieben. Unser Kellner beim Abendessen war gerade mal für zwei Tische verantwortlich. Und er war nicht allein. Es gab auch noch einen „Assistenz-Kellner“, der das Essen aus der Küche und die Getränke von der Bar holte. So konnte unser „Hauptkellner“ die ganze Zeit in unserer Nähe bleiben, uns beobachten und sofort herbeieilen, sobald er der Meinung war, wir könnten etwas gebrauchen. Waren unsere Gläser auch nur halbleer, wurde sofort nachgefüllt oder nach einem weiteren Getränkewunsch gefragt. Nach den ersten Tagen sah ich davon ab Wein zu trinken, da mein Glas ständig aufgefüllt wurde und ich am Ende aus dem Restaurant torkelte.

Ebenso der Reinigungsservice. Ich finde es schon viel zu viel, wenn mein Zimmer einmal am Tag sauber gemacht wird. Macht doch bei sich zu Hause auch niemand. Auf diesem Schiff rückten sie aber sowohl morgens und abends an, um unser Badezimmer in eine keimfreie Chemiezelle zu verwandeln. Das Bett wurde abends und morgens auf unterschiedliche Art hergerichtet. Außerdem wechselten sie gnadenlos alle  Handtücher, die auch nur annährend benutzt aussahen, auch wenn wir diese immer in der vorgeschriebenen Position aufhängten, die laut Anleitung signalisieren sollte, dass wir unsere Handtücher gern mehr als einmal benutzen würden. Aus den frischen Handtüchern formten sie dann Figuren, etwa Schwäne (!) oder Herzen, und drapierten sie auf unserem Bett. Wir versuchten den Reinigungsservice zu reduzieren, indem wir vormittags das „Bitte nicht stören“ Schild aufhängten. Dann kamen sie aber am Nachmittag, sobald wir das Schild entfernt hatten. Als würden sie unsere Kabine beobachten und sofort zum Putzen anrücken, sobald sich die Gelegenheit bietet. So hatten wir das Gefühl noch mehr Arbeit für das Reinigungspersonal geschaffen zu haben und ließen es von da an lieber sein.

Keine Ahnung warum sie so viel Personal mitnehmen. Wahrscheinlich brauchen sie sie für die folgenden Touren in Südamerika, die größtenteils ausgebucht sind, wie uns unser Kellner erzählte. Ich frage mich allerdings wie viel sie ihren Angestellten bezahlen. Auffällig war, dass die große Mehrheit der Angestellten aus Entwicklungsländern kommt. Um die 100 Menschen aus Indien, nochmal jeweils so viele aus Indonesien und den Philippinen, ca. 200 Menschen aus lateinamerikanischen Ländern, der Großteil aus Brasilien, 78 aus Bulgarien und noch ein paar Weitere aus anderen osteuropäischen Ländern. Lediglich neun kamen aus Spanien, fünf aus Griechenland, zwei aus Portugal, eine/r aus Italien, eine/r aus Kanada und eine/r aus Deutschland, laut Angaben von Pullmantur.




Am letzten Tag haben wir dann noch eine Rechnung über die „Service Taxes“ erhalten. Damit meinen sie das Trinkgeld. Es wurde von Anfang an gesagt, dass das Trinkgeld nicht im Preis enthalten ist. Allerdings wurde nie erwähnt, wie viel wir am Ende dafür bezahlen sollen. Ohnehin sollte das Geben von Trinkgeld und dessen Höhe ein freiwilliger Akt sein. Pullmantur bucht aber am Ende der Reise einfach 83 Euro pro Person von der Kreditkarte ab. Die Daten muss man zu Beginn der Reise angeben. Die Alternative ist 200€ pro Person in bar zu hinterlegen. Anscheinend ist das bei den meisten Gesellschaften so üblich, einfach einen von der Gesellschaft selbst festgelegten Betrag zu berechnen. Das ist sicherlich rechtlich nicht in Ordnung, wenn der Betrag bei Vertragsschluss nicht angegeben wird. Deshalb kann man dieser Praxis direkt an Bord widersprechen und diese „Servicegebühren“ umgehen oder zumindest den Betrag reduzieren. 

Da ich mich vorher darüber informiert hatte, wusste ich was auf uns zukommt. Ich war entschlossen zu widersprechen, sollten sie einen meiner Meinung nach zu hohen Betrag berechnen. Ich habe das am Ende nicht gemacht, weil der Preis meiner Meinung nach alles in allem trotzdem noch sehr günstig war, für das was wir bekommen haben. Auch wenn wir den Großteil des Angebots gar nicht genutzt haben, weil es für uns einfach nicht interessant war. Dafür hatten wir eine wunderschöne Kabine mit Blick aufs Meer, extrem leckeres (und viel zu viel) Essen und alle für uns interessanten Getränke inklusive. Außerdem hoffe ich einfach, dass das Trinkgeld wirklich an das Personal geht, die vielleicht darauf angewiesen sind ihr geringes Gehalt mit diesem Geld aufzubessern.

An Bord gibt es natürlich zahlreiche weitere Möglichkeiten sein Geld loszuwerden. Zum Beispiel im Casino, im Beauty-Salon oder in den Duty-Free-Shops sowie Wäscheservice, Roomservice, Internetzugang. Auch in den Bars und der Diskothek muss man auf dieser Tour für die Getränke bezahlen. Für uns war das allerdings weder interessant noch notwendig und wir haben nichts zusätzlich ausgegeben. Es gibt auch keinerlei Druck seitens des Personals.

Ankunft in Recife 


im Hafen von Recife 


Es war auf jeden Fall eine einzigartige Erfahrung den Ozean mit dem Schiff zu überqueren, die eigentliche Entfernung zwischen den Kontinenten zu spüren, die Uhren langsam zurückzustellen und zu fühlen wie die Temperaturen täglich höher kletterten. Ich weiß nicht, ob ich nochmal mit einem Kreuzfahrtschiff fahren würde. Vielleicht würden mich die günstigen Preise erneut verlocken. Denn es ist beispielsweise viel teurer in einem Containerschiff mitzufahren. Auch hier gibt es kommerzielle Anbieter, die Plätze auf diesen Schiffen verkaufen. Nur verlangen sie dafür oft um die 1000 Euro. Man ist allerdings auch länger unterwegs, meist um die vier Wochen. Eine andere Möglichkeit ist natürlich, einfach in den Hafen zu gehen und sich durchzufragen, ob einen jemand mitnehmen kann. Das funktioniert bestimmt auch, wenn man geduldig und ausdauernd ist. Man weiß allerdings nie wie viel Wartezeit, und eben auch Ausgaben, man vor Ort einrechnen muss. Außerdem nehmen die großen Unternehmen prinzipiell niemanden mit. Man sollte es also bei Kleineren probieren. Auf jeden Fall muss man wahrscheinlich einen Beitrag für das Essen bezahlen, es sei denn man kann auf dem Schiff auf irgendeine Art mithelfen/arbeiten. Dasselbe gilt auch für die zahlreichen Segelschiffe, die von September bis Januar den Atlantik von Europa nach Amerika überqueren. Hier ist es noch wahrscheinlicher, dass man einen Tagesbeitrag für Essen und das Mitnehmen bezahlt, so dass man da auch locker auf ein paar hundert Euro kommt. Leider ist das langsame Reisen doch meist noch teurer und aufwendiger als einfach in ein Flugzeug zu steigen. Aber es lohnt sich zweifelsohne auf diese Art zu reisen.




1 Kommentar:

  1. Da ich im August 21 nach Brasilien auswandern will, meine 2 Hunde mitnehmen will und Horror habe diese 2 10h in einer Box in einem Flugzeufrachtraum zu lassen, suche ich nach eben einer Überseemöglichkeit. Darum meine Frage. Gab es auch Hunde auf ihrer Überfahrt?

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