Für unsere Reise nach Südamerika hatten wir uns fest vorgenommen mit einem Schiff oder Boot
zu fahren, anstatt einfach in ein Flugzeug zu steigen. Wir wollten die wahre
Entfernung zwischen den Kontinenten spüren. Erfahren wie es ist, tagelang
nichts als den Ozean zu sehen. Uns langsam unserem Reiseziel nähern, statt nach
ein paar Flugstunden an einem anderen Fleck der Erde auszusteigen.
Niemals hätte ich zu Beginn unserer Reise gedacht, dass wir
den Atlantik ausgerechnet mit einem Kreuzfahrtschiff überqueren würden. Allein
schon wegen unseres Budgets und weil ich nie darauf gekommen wäre überhaupt nach
Angeboten zu suchen. Jorge fand das Angebot von Pullmantur, eine spanische
Schifffahrt-Gesellschaft, im Internet. Für knapp 400 Euro kann man die
neuntägige Schiffsreise von der portugiesischen Hauptstadt nach Recife im Nordosten Brasiliens antreten. Man bekommt dafür eine komfortable Kabine mit
Meerblick, Vollverpflegung und Getränke (Erfrischungsgetränke, Saft, Wasser, Wein,
Bier) inklusive. Und wird nebenbei nach Südamerika geschifft. Der Preis ist nur
ein Bruchteil davon, was man sonst für so eine Kreuzfahrt bezahlt. Es war das
erste Mal, dass sie auf der Atlantiküberquerung Passagiere mitgenommen haben.
Offenbar gibt es dafür noch nicht genug Nachfrage. Auf dem Schiff waren gerade mal
200 Passagiere, Platz gäbe es für 1800. In der letzten Woche vor der Abfahrt
sind sie mit dem Preis nochmal runtergegangen, sodass die Fahrt für 300 Euro zu
haben war. Es lohnt sich also bis zum letzten Moment zu warten und auch bei
anderen Gesellschaften nachzuschauen, da die meisten ihre Schiffe im Winter in
den Süden bringen und man da oft recht günstig mitfahren kann.
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Kurz vor der Abfahrt in Lissabon |
Bye bye Lisboa, sicher nicht für immer |
Neun Tage dauert die Fahrt von Lissabon nach Recife, der
fünftgrößten Stadt im Nordosten des fünftgrößten Landes der Welt, das fast die
Hälfte des lateinamerikanischen Kontinents bedeckt, nämlich 47 Prozent. Es war wirklich faszinierend tagelang nur von dem endlos
weiten Wasserteppich umgeben zu sein. Besonders zu Beginn waren wir wie
elektrisiert von dem Anblick und starrten stundenlang auf die unendlichen
Wassermassen, auf denen die Sonne funkelte, und bestaunten den hellblau leuchtenden Himmel mit seinen formschönen Zuckerwatte-Tupfern. Während unserer Reise fuhren wir mehrmals
an Inseln vorbei: am dritten Tag an Teneriffa, am fünften Tag an den kapverdischen Inseln und am vorletzten Tag konnten wir bereits Brasilien begrüßen, als wir die
zum Land gehörigen Fernando de Noronha Inseln passierten. Die Inseln kündigten
sich stets damit an, dass auf einmal Vögel am Himmel zu sehen waren. Manchmal
schon Stunden bevor die Inseln überhaupt in Sicht waren.
Besonders beeindruckend ist auf dem offenen Meer der Sonnenauf-
und –untergang. Den Sonnenaufgang habe ich leider bis auf zweimal verschlafen, weil
der immer zu unterschiedlichen Zeiten und außerdem immer früher passierte. Dafür
haben wir jeden Abend dabei zugeschaut wie der glühende gelb-leuchtende
Feuerball hinterm Horizont verschwindet und wurden mit fantastischen
Farbenspielen am Himmel belohnt. Jorge hatte außerdem einmal das Glück ein paar
Delfine zu sichten. Das ist mir leider nicht gelungen, obwohl ich viel Zeit
damit verbrachte, den unendlichen Ozean zu bestaunen. Auch wenn es dort nicht
viel zu sehen geben scheint, verändert sich die Aussicht doch ständig. Die
Wellen sind mal mehr, mal weniger hoch. Die Farbe des Ozeans veränderte sich.
Je weiter wir raus fuhren, umso mehr verwandelte sie sich in ein tiefes
Indigo-blau, wogegen sie zu Beginn eher blau-gräulich schien und kurz vor
Recife einen intensiven Türkiston annahm.
Die Sonne spiegelt sich unterschiedlich intensiv auf dem Ozean und die
Wolkenformationen ändern sich ständig. Manchmal erblickt man in der Ferne
andere Schiffe, vor allem Containerschiffe und Segelboote, sowie winzig kleine
Inseln, die eher Felsen im Meer gleichen.
Wem das Betrachten des Ozeans irgendwann zu langweilig wird,
hat auf so einem Kreuzfahrtschiff natürlich unglaublich viele Möglichkeiten
sich abzulenken. Den ganzen Tag über gibt es ein Programm. Von Musik-, Film-,
Länder- und was weiß ich für Quizze über Karaoke, Tanzstunden,
Kreativitätsworkshops und dem obligatorischen Bingo. Außerdem gab es
einen Fitnessraum, ein Casino, Geschäfte zum duty-free-shoppen, vier oder fünf
Bars, eine Diskothek, eine Art Theater, in dem jeden Abend eine andere Show
aufgeführt wurde, eine Bibliothek mit überteuertem Internetzugang, mehrere
Whirlpools, einen Beautysalon und einen riesigen Poolbereich mit Animation.
Echt Wahnsinn, was da für ein Aufwand betrieben wird. Mich
hat das bis auf den Pool, vor allem als es langsam immer heißer wurde, wenig
interessiert. Zum Glück kann man sich gut von diesem Programm abkapseln. Ich
hatte ein paar gute Bücher dabei, war fest entschlossen mein
Portugiesisch-Grammatikbuch durchzuarbeiten, außerdem den Reiseführer zu studieren
und sonst einfach nur das weite Meer zu genießen. Außerdem konnte ich mich
endlich mal wieder ausgiebig meiner Yoga- und Meditationspraxis widmen. Dort
draußen auf dem Meer hat man so unglaublich viel Zeit für all die Sachen für
die man sonst viel zu wenig Zeit findet. Meist habe ich versucht vor allen
anderen aufzustehen, denn die stillen Morgenstunden auf dem Ozean sind einfach
die Besten.
Jeden Tag wurde es ein bisschen wärmer, ab dem vierten Tag
konnten wir den Pool nutzen. Davor war der Bereich erstens gesperrt und
außerdem war es noch zu kalt zum Baden. Ab dem fünften Tag hätten die
Temperaturen meiner Meinung nach so bleiben können wie sie sind. Doch da wir
einen kontinuierlichen Kurs nach Süden nahmen war klar, dass es nun jeden Tag
ein paar Grad wärmer würde. Dafür drehten sie die Air-Con im Inneren des Bootes
auf, sodass niemand schwitzen musste, der das nicht wollte. Am Abend des achten
Tages überquerten wie den Äquator. Ich hätte gedacht, dass wir spätestens dann
vor Hitze zergehen würden. Das war aber gar nicht so. Es war schon recht warm,
aber allein durch den Fahrtwind wehte stets eine angenehme Brise, sodass es nie
unerträglich wurde. Auch die Uhren stellten wir Stück für Stück zurück. An jedem
dritten Tag wurde uns eine Stunde geschenkt. Am Ende betrug der Zeitunterschied
zwischen Lissabon und Recife drei Stunden. Ich hatte mit mehr gerechnet. Von
der deutschen Zeit bin ich hier in Brasilien gerade mal vier Stunden entfernt.
pool area at night |
Mit unserem "Privat"kellner Wayang beim Dinner |
Unsere schnuckelige Kabine mit Meerblick |
Super leckeres und viel zu viel Essen, hier beim Frühstücken |
Wir hatten wirklich Glück, dass wir mit so wenig Menschen
auf dem Schiff waren. So hatten wir ganz viel Platz und konnten immer einen
ruhigen Ort finden. Außerdem wurde auch die Animation am Pool schnell
eingestellt, weil sich nicht genug Interessenten fanden. Die Klientel war auf
dieser Fahrt vermutlich ein bisschen anders als bei den üblichen Kreuzfahrten.
Der Großteil waren brasilianische Familien, die vermutlich in Portugal leben
und für eine Zeit nach Hause fahren. Außer uns gab es noch andere
Rucksackreisende auf dem Schiff, die die Fahrt aufgrund der günstigen Preise
gebucht hatten. Das verbesserte für uns
natürlich auch die Atmosphäre auf dem Schiff, weil wir Menschen mit ähnlichen
Interessen und Plänen trafen.
Allerdings waren mehr als 600 (!) Crewmitglieder an Bord, bei
gerade mal 200 Passagieren. Der Service war dementsprechend „unverbesserlich“,
womit die Gesellschaft auch wirbt. In meinen Augen viel zu übertrieben. Unser
Kellner beim Abendessen war gerade mal für zwei Tische verantwortlich. Und er
war nicht allein. Es gab auch noch einen „Assistenz-Kellner“, der das Essen aus
der Küche und die Getränke von der Bar holte. So konnte unser „Hauptkellner“
die ganze Zeit in unserer Nähe bleiben, uns beobachten und sofort herbeieilen,
sobald er der Meinung war, wir könnten etwas gebrauchen. Waren unsere Gläser
auch nur halbleer, wurde sofort nachgefüllt oder nach einem weiteren
Getränkewunsch gefragt. Nach den ersten Tagen sah ich davon ab Wein zu trinken,
da mein Glas ständig aufgefüllt wurde und ich am Ende aus dem Restaurant torkelte.
Ebenso der Reinigungsservice. Ich finde es schon viel zu
viel, wenn mein Zimmer einmal am Tag sauber gemacht wird. Macht doch bei sich
zu Hause auch niemand. Auf diesem Schiff rückten sie aber sowohl morgens und abends an, um unser Badezimmer in eine keimfreie Chemiezelle zu verwandeln. Das Bett wurde abends und morgens auf unterschiedliche Art hergerichtet. Außerdem wechselten sie gnadenlos alle Handtücher, die auch nur annährend benutzt
aussahen, auch wenn wir diese immer in der vorgeschriebenen Position aufhängten,
die laut Anleitung signalisieren sollte, dass wir unsere Handtücher gern mehr
als einmal benutzen würden. Aus den frischen Handtüchern formten sie dann Figuren, etwa Schwäne (!) oder Herzen, und drapierten sie auf unserem Bett. Wir versuchten den Reinigungsservice zu
reduzieren, indem wir vormittags das „Bitte nicht stören“ Schild aufhängten.
Dann kamen sie aber am Nachmittag, sobald wir das Schild entfernt hatten. Als
würden sie unsere Kabine beobachten und sofort zum Putzen anrücken, sobald sich
die Gelegenheit bietet. So hatten wir das Gefühl noch mehr Arbeit für das
Reinigungspersonal geschaffen zu haben und ließen es von da an lieber sein.
Keine Ahnung warum sie so viel Personal mitnehmen.
Wahrscheinlich brauchen sie sie für die folgenden Touren in Südamerika, die
größtenteils ausgebucht sind, wie uns unser Kellner erzählte. Ich frage mich
allerdings wie viel sie ihren Angestellten bezahlen. Auffällig war, dass die
große Mehrheit der Angestellten aus Entwicklungsländern kommt. Um die 100
Menschen aus Indien, nochmal jeweils so viele aus Indonesien und den
Philippinen, ca. 200 Menschen aus lateinamerikanischen Ländern, der Großteil
aus Brasilien, 78 aus Bulgarien und noch ein paar Weitere aus anderen
osteuropäischen Ländern. Lediglich neun kamen aus Spanien, fünf aus
Griechenland, zwei aus Portugal, eine/r aus Italien, eine/r aus Kanada und
eine/r aus Deutschland, laut Angaben von Pullmantur.
Am letzten Tag haben wir dann noch eine Rechnung über die
„Service Taxes“ erhalten. Damit meinen sie das Trinkgeld. Es wurde von Anfang an gesagt,
dass das Trinkgeld nicht im Preis enthalten ist. Allerdings wurde nie erwähnt,
wie viel wir am Ende dafür bezahlen sollen. Ohnehin sollte das Geben von
Trinkgeld und dessen Höhe ein freiwilliger Akt sein. Pullmantur bucht aber am
Ende der Reise einfach 83 Euro pro Person von der Kreditkarte ab. Die Daten
muss man zu Beginn der Reise angeben. Die Alternative ist 200€ pro Person in
bar zu hinterlegen. Anscheinend ist das bei den meisten Gesellschaften so
üblich, einfach einen von der Gesellschaft selbst festgelegten Betrag zu berechnen.
Das ist sicherlich rechtlich nicht in Ordnung, wenn der Betrag bei
Vertragsschluss nicht angegeben wird. Deshalb kann man dieser Praxis direkt an
Bord widersprechen und diese „Servicegebühren“ umgehen oder zumindest den
Betrag reduzieren.
Da ich mich vorher darüber informiert hatte, wusste ich was auf
uns zukommt. Ich war entschlossen zu widersprechen, sollten sie einen meiner
Meinung nach zu hohen Betrag berechnen. Ich habe das am Ende nicht
gemacht, weil der Preis meiner Meinung nach alles in allem trotzdem noch sehr
günstig war, für das was wir bekommen haben. Auch wenn wir den Großteil des
Angebots gar nicht genutzt haben, weil es für uns einfach nicht interessant
war. Dafür hatten wir eine wunderschöne Kabine mit Blick aufs Meer, extrem
leckeres (und viel zu viel) Essen und alle für uns interessanten Getränke
inklusive. Außerdem hoffe ich einfach, dass das Trinkgeld wirklich an das
Personal geht, die vielleicht darauf angewiesen sind ihr geringes Gehalt mit
diesem Geld aufzubessern.
An Bord gibt es natürlich zahlreiche weitere
Möglichkeiten sein Geld loszuwerden. Zum Beispiel im Casino, im Beauty-Salon oder in
den Duty-Free-Shops sowie Wäscheservice, Roomservice, Internetzugang. Auch in den Bars und der Diskothek muss man auf dieser
Tour für die Getränke bezahlen. Für uns war das allerdings weder interessant noch notwendig und wir haben nichts zusätzlich ausgegeben. Es gibt auch keinerlei Druck seitens des
Personals.
Ankunft in Recife |
im Hafen von Recife |
Es war auf jeden Fall eine einzigartige Erfahrung den Ozean
mit dem Schiff zu überqueren, die eigentliche Entfernung zwischen den
Kontinenten zu spüren, die Uhren langsam zurückzustellen und zu fühlen wie die
Temperaturen täglich höher kletterten. Ich weiß nicht, ob ich nochmal mit einem
Kreuzfahrtschiff fahren würde. Vielleicht würden mich die günstigen Preise erneut
verlocken. Denn es ist beispielsweise viel teurer in einem Containerschiff
mitzufahren. Auch hier gibt es kommerzielle Anbieter, die Plätze auf diesen
Schiffen verkaufen. Nur verlangen sie dafür oft um die 1000 Euro. Man ist
allerdings auch länger unterwegs, meist um die vier Wochen. Eine andere Möglichkeit ist natürlich, einfach in den Hafen zu
gehen und sich durchzufragen, ob einen jemand mitnehmen kann. Das funktioniert
bestimmt auch, wenn man geduldig und ausdauernd ist. Man weiß allerdings nie
wie viel Wartezeit, und eben auch Ausgaben, man vor Ort einrechnen muss.
Außerdem nehmen die großen Unternehmen prinzipiell niemanden mit. Man sollte es
also bei Kleineren probieren. Auf jeden Fall muss man wahrscheinlich einen
Beitrag für das Essen bezahlen, es sei denn man kann auf dem Schiff auf
irgendeine Art mithelfen/arbeiten. Dasselbe gilt auch für die zahlreichen
Segelschiffe, die von September bis Januar den Atlantik von Europa nach Amerika
überqueren. Hier ist es noch wahrscheinlicher, dass man einen Tagesbeitrag für
Essen und das Mitnehmen bezahlt, so dass man da auch locker auf ein paar
hundert Euro kommt. Leider ist das langsame Reisen doch meist noch teurer und aufwendiger als einfach
in ein Flugzeug zu steigen. Aber es lohnt sich zweifelsohne auf diese Art zu
reisen.